Amazonas und Nevado del Tolima

Im Juni besucht mich Christian. Nachdem wir die ersten Tage in Bogotá verbringen, fliegen wir in den kolumbianischen Teil Amazoniens. Anschließend fahren wir nach Girardot und von dort weiter nach Ibague, um auf dem Nevado del Tolima zu wandern.

Wiedersehen
Freitag

Christian steht bereits vor dem Flughafengebäude und flirtet mit einer Einheimischen. Wir begrüßen uns freudig und fahren mit dem Taxi zu Lina, die wir gemeinsam mit ihrer österreichischen Freundin Sara auf dem Hof antreffen. Beide begleiten uns in das Appartement von Magda, welches wir für drei Nächte reserviert haben. Die Wohnung befindet sich zur Zeit im Umbau, erfüllt dennoch ihren Zweck. Neben zwei Schlafzimmern stehen uns zwei Bäder zur Verfügung. Nur auf warmes Wasser müssen wir leider verzichten. Bei Lina stärken wir uns mit einer bestellten Pizza.

Samstag
Unser Frühstück nehmen wir auf der anderen Straßenseite ein. Es gibt Empanadas und Milchkaffee. Da wir für unseren Amazonas-Ausflug noch Ausrüstung benötigen und sich Lina in Bogotá gut auskennt, begleitet sie uns. Mosquiteros para la cabeza (Moskito-Gesichtsschutz), Regenponchos sowie für mich zwei Hosen wandern schließlich in unseren Einkaufskorb. Bevor es zurück zum Appartement geht, kaufen wir Zutaten für die Ajiaco Santafereño, einer sämigen Hühnersuppe, die es am folgenden Tag geben soll. Zum Abendessen, welches wir in der Wohnung von Linas Eltern einnehmen, gibt es das von Christian mitgebrachte Zwiebelbrot mit Käse, Schinken, Schnitzel und Weißwein. Anschließend unternehmen wir mit Francisco eine Fahrt durch das nächtliche Bogotá. Wir fahren in die Hügel im Osten, denn von hier können wir eine herrliche Aussicht auf die rund 7 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt genießen.

Besucher vom anderen Stern
Abendessen bei Familie Segura Amaya
Blick auf Bogotá
Sonntag

Am heutigen Sonntag fahren wir nach einem weiteren Empanada-Frühstück mit dem Taxi zum Jardín Botánico, wo wir uns mit Melissa verabredet haben. Gemeinsam drehen wir im Botanischen Garten, der nach dem Botaniker José Celestino Mutis benannt ist, unsere Runden. Gegen 14 Uhr verabschieden wir uns von Melissa, da wir bei Linas Familie zum Mittagessen eingeladen sind. Lina und ihre Schwester haben die Ajiaco-Suppe gekocht, die neben Huhn, verschiedenen Kartoffelsorten und Maiskolben (mazorca) auch reichlich Koriander (cilantro) enthält. Lecker. Francisco und seine Schwestern laden uns aufs Land ein, allerdings wird es dafür leider keine Zeit geben. Auch am Abend sitzen wir gemütlich mit der Familie zusammen.



Montag

Am Montagmorgen quälen wir uns um 4:45 Uhr aus den Betten, duschen kalt und steigen gegen 5:30 Uhr ins Taxi, welches uns zum Monserrate fährt. Am Fuße des 3152 Meter hohen Kordillerenberges – Bogotá liegt 2640 Meter über NN – angekommen, heißt es nun, dass der erste Transport erst gegen 6:30 Uhr stattfindet. Solange wollen wir nicht warten und entscheiden uns trotz der Kenntnis darüber, dass es entlang des Weges nicht selten zu Überfällen kommt, spontan für den Aufstieg zu Fuß. Links und rechts des mit hellen Sandsteinen befestigten und etwa zwei Meter breiten Weges stehen kleine Hütten aus Holz oder Pappe. An manchen Stellen ermöglichen Plattformen eine herrliche Aussicht auf die Hauptstadt und gelegentlich komme ich mit einheimischen Sportlern ins Gespräch. Da wir nicht gefrühstückt haben und lediglich zwei Schluck schwarzes Zuckerwasser dabei haben, ist der etwa einstündige Fußmarsch in der zunehmend dünneren Höhenluft anstrengend. Auf dem Gipfel angekommen, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Wir bestaunen die interessant angelegten Rabatten, beobachten langschwänzige Kolibris und stärken uns mit Guayaba-Bocadillos, frisch gepresstem Orangensaft und Milchkaffee. Mit der Seilbahn geht es den berühmten Berg hinab und mit einem Taxi zurück zum Appartement. Hier hauen wir uns für eine gute Stunde nochmal aufs Ohr, packen unsere bisher gemachten Fotos auf meinen Rechner und geben bei Lina den Appartement-Schlüssel ab. Bevor wir uns verabschieden, dreht uns Francisco ein Getränk aus Orangensaft, Milch und Zucker an, das gut schmeckt. Ein Taxi fährt uns zum Flughafen, in dessen Abfertigungshalle wir durch das Verzehren von Bocadillos die Auslegeware vollkrümeln. Nachdem wir bei der Gepäckverladung zugeschaut haben, steigen wir in die offensichtlich jungfernflugbereite AeroRepública-Maschine mit dem Ziel Leticia.
Aufstieg zum Monserrate







In der Hauptstadt des Departaments Amazonas angekommen, nimmt uns die feuchtwarme Luft des Regenwaldes den Atem. Wir bezahlen die Touristensteuer in Höhe von 16.000 Pesos und begeben uns auf die Suche nach einer Herberge. Enttäuscht stellen wir fest, dass es den hiesigen Zoo leider nicht mehr gibt und hoffen in den folgenden Tagen umso mehr Getier in der Wildnis zu entdecken. Das Hotel Fernando Real, dessen Flur mit blühenden Pflanzen begrünt ist, sieht einladend aus. In einem Doppelzimmer machen wir es uns bequem und werfen uns unter die Dusche. Wir machen einen Spaziergang, um die etwa 30000 Einwohner zählende Stadt zu erkunden und erreichen schließlich am Muelle Veronica den Amazonas-Strom. Das hiesige Ufer ist teilweise mit Blech- und Bretterbuden zugebaut. Am Horizont erkennen wir, wie sich eine Regenwolke ihrer Ladung entledigt. Auf dem Weg zurück zum Quartier bieten Straßenhändler ihre Ware feil. Durch das Fernsehen erreicht uns die Nachricht vom Tod Michael Jacksons.

23.6. Dienstag
Nach einem früchtehaltigen Frühstück geht es auf dem Moped zurück zum Flughafen (warum?). Anschließend geht es in die südlich von Leticia gelegene brasilianische Stadt Tabatinga. Hier erzählen wir dem Grenzposten von unserem beabsichtigten Besuch des Reservats PALMARI und bekommen einen Stempel in die Reisepässe. Mit einem Boot, welches u.a. mit Hühnern und Bananenstauden beladen ist, fahren wir nach Benjamin Constant. Von hier aus geht es mit dem Taxi weiter ins etwa 30 km entfernte Atalaia do Norte. Als ich den Taxifahrer nach dem Künstler der im Taxi gespielten Musik frage, erzählt er mir von einer indigenen Gruppe. Er verspricht mir eine CD, sobald wir uns das nächste Mal begegnen, denn vermutlich wird er uns in ein paar Tagen wieder zurückfahren. Er wird Recht behalten und mir ein paar Tage später die CD der Toalla-Gruppe schenken. In Atalaia de Norte steigen wir in ein Speedboot, welches uns in die PALMARI-Lodge fährt.



24.6. Mittwoch
Heute begeben wir uns mit Pelé zu Fuß in den Regenwald. Pelé zeigt uns, wie aus Palmenblättern verschiedenste Gegenstände wie Körbe hergestellt werden und auch wir versuchen uns daran. Als Pelé einen Baumstamm hinaufklettern, zögert Christian nicht lange und macht es ihm nach. Dazu wickelt er sich eine aus einer Pflanzenfaser geformte 8 um die Füße. Auf dem Programm steht nun eine Baumwipfelbesteigung. Wir genießen eine herrliche Aussicht auf den Regenwald. Wir übernachten im Regenwald.



25.6. Donnerstag
Mit dem Speedboot zurück nach Leticia. Hier treffen wir zufällig auf Melina und Erik. 

26.6. Freitag
Mit dem Boot fahren wir in den Nationalpark Amarayaku. Da hier geschlossen oder voll ist, fährt man uns in ein nahe gelegenes Dorf und quartiert uns bei einer Familie in einem Pfahlhaus ein. Es schüttet wie aus Eimern. Die Einrichtung ist sehr einfach. Sehr abenteuerlich. Sehr gastfreundschaftlich. Eine Fledermaus pinkelt desnachts Christian an.

27.6. Samstag
Mit unserem Guide unternehmen wir einen Ausflug.
Wir erreichen Puerto Nariño, wo wir Bekanntschaft mit Hannibal machen. Keine Autos.

28.6. Sonntag
Gegen 7 Uhr fahren wir mit Antonio und seinem Sohn Hannibal mit ihrem in den kolumbianischen Farben gestrichenen Boot zum Tarapoto-See. An der Tankstelle fischt Hannibal kleine welsartige Fische, die grunzende Laute von sich geben, mit der Hand aus dem Wasser. Richtung See sehen wir einige Male Botos, Amazonasdelphine, die sich auf den Weg zum Amazonas machen. Nachts verweilen sie hingegen in der Seenplatte. Tonio erzählt von dem Fisch Pirarucu, der bis zu 250 kg wiegt und Wellen auf dem Wasser hinterlässt. Das Gesetz verbietet den Fang des Giganten während der Fischaufzucht, da der Bestand bedroht ist. Zwischen November und Februar bleibt der Fischnachwuchs dicht unter der Wasseroberfläche, da er in tieferem Wasser von Raubfischen gefressen werden würde. Bei Gefahr "frisst" die Fischmutter ihren Nachwuchs und ist damit leichte Beute für Fischer. Tonio sagt, dass es in Puerto Nariño eine von einer Österreicherin geleitete ONG (Nichtregierungsorganisation) gibt, die sich um geschützte Tiere kümmert. Hierzu zählen vor allem Schildkröten bzw. deren Ei-Gelege, die angeblich häufig von Indigenas geplündert werden. Wir machen Fotos von sich im Wasser spiegelnder Ufervegetation und sehen Papageien und einen Fischadler. Laut Tonio verschwinden jährlich etwa 5 Personen, meistens Indigene, die sich in der Nacht allein im Dschungel aufhalten. Nach 8 Tagen sagt man schließlich: „La selva lo comió“ - der Dschungel hat sich ihn geholt (wortwörtlich: der Dschungel hat ihn gefressen/verschluckt). Ich meine, dass die Indigenas in der Gruppe jagen bzw. fischen, doch Tonio antwortet, dass ein Fischer, der einen guten Platz zum Fischen kennt, diesen nicht verraten wird. Nun fahren wir kurz ans Ufer, um möglicherweise einen Kaiman zu Gesicht zu bekommen. Wir hören etwas plätschern, und dabei bleibt es. Vor uns liegt ein umgestürzter Baumriese. Im gesunden aufrechten Zustand benutzen die Indigenen diese Baumart als Kommunikationsmittel. Wenn mehrere Einheimische in den Dschungel gehen, machen sie sich ein Klopfzeichen aus, um sich im Fall eines Verlaufens zu orientieren bzw. zu verständigen. Auch andere Arten eignen sich dafür, indem sie eine Art Echo erzeugen. Christian entdeckt einen neuen Passagier auf unserem Boot. Die Tarnung des Matacaballos, der Stabheuschrecke, ist echt beeindruckend. Christian fängt einen Fisch mit kräftigen Zähnen, der nach dem Aussetzen am Uferrand wieder zurück ins Wasser findet. Als Köder dienen kleine Fische, die Tonio vorher mit Brot gefischt hat. Hannibal und ich nehmen die kleinen Fische vom Haken und töten diese, indem wir sie auf den Boden schmeißen. Als wir die Siedlung namens Santa Clara de Tarapoto erreichen, ist diese fast menschenleer, weil die Einwohner gerade in Puerto Nariño sind. Am Ufer sehen wir einer Frau beim Wäsche waschen zu. Begrüßt werden wir von Boliviano, einem kleinen Jungen, der trotz seines Vornamens Kolumbianer ist und etwas zurückgeblieben wirkt. Es scheint so, als spiele sich das Aufregendste am Bootsplatz ab. Als meine Brille herunterfällt, greift sie sich Hannibal. Alles wird hier neugierig angefasst. Auch die Kamera zog zuvor die Aufmerksamkeit auf sich. Während Tonio einen Fisch fängt, der angeblich sehr schmackhaft ist, verstehe ich kaum etwas von dem, was der neben mir sitzende und streng riechende Boliviano erzählt. Hannibal schleppt derweil eine Frucht des Totumo-Baumes an, die sich zu mehreren Kunstobjekten wie beispielsweise einer Kalebasse weiterverarbeiten lässt. Zu uns an die überdachte Feuerstelle gesellt sich eine Familie. Dem Mann und der Frau fehlen ein Großteil der vorderen Zähne. Während der Mann Feuerholz heranschleppt, siebt die Frau Maniokwurzeln, um das entstehende feine Mehl, Fariña genannt, anschließend etwa zweieinhalb Stunden zu rösten. Wegen Überflutung blieb keine Zeit mehr, um die Maniokwurzeln in Gefäßen im Boden zu verstauen, sodass das Wurzelgemüse in einer Regentonne gelagert wird. Am Rand der blauen Tonne, in der es sehr unangenehm riecht, entdecken wir einen schwarzen Skorpion, der angeblich tödlich zustechen kann. Zwar wird die Gefahr mit einem Stück Holz sofort gebannt, doch der Gedanke an die barfuß laufenden Dorfbewohner beschäftigt mich eine Weile. Auf der Rückfahrt sehen wir in der Ferne Flussdelphine. Uns steigt zunehmend der Modergeruch in die Nase, denn die Trockenzeit beginnt und das Wasser geht langsam zurück.





29.6. Montag
Es geht wieder zurück nach Leticia - Souvenirs - und weiter nach Girardot.

30.6. Dienstag
Girardot

1.7. Mittwoch
Girardot
2.7. Donnerstag
Um 6:45 Uhr geht es mit dem Bus, der durch einen verrückten Busfahrer gesteuert wird, nach Ibague, der Provinzhauptstadt Tolimas. Die Fahrt dauert zwei Stunden. Wir suchen die Reiseagentur 'Travesia Verde' auf und werden auf später vertröstet, da die Frau, mit der wir verabredet sind, noch nicht da ist. Im lokalen Tourismusbüro erhalten wir eine Stadtkarte. Wir erfahren, dass es in der vergangenen Nacht am Nevado del Tolima zu Erdrutschen kam, wodurch die Hauptstraße überschwemmt wurde. Zurück in der Reiseagentur treffen wir auf Paola und José Andrés, die uns über die Route aufklären und uns ein Angebot für eine dreitägige Tour unterbreiten. Wir heben Geld ab und zahlen 780'000 Pesos für den All Inclusive-Ausflug. Während José Andrés und Saly einkaufen gehen, essen wir gemeinsam mit Paola im Parque Bolívar Spaghetti. Nachdem unser Gepäck verladen ist, brechen José Andrés und wir gegen 15 Uhr in Richtung Juntas auf. Auf dem Weg passieren wir Siedlungen mit überschwemmten Straßen. In Juntas angekommen, werden wir mit Agua Panela und Brot verpflegt. Gegen 16:30 Uhr geht es nun in Gesellschaft eines unser Gepäck tragenden Mulis zu Fuß weiter. Die Berglandschaft ist grün. 1000 Grüntöne gibt es hier, sagt José. Besonders auffällig ist die Palma de Cera. Laut unserem Wanderführer stehen 81 % der Palmen Kolumbiens in Tolima. Auch über die Frailejones unterhalten wir uns. 81 % der weltweiten Bestände befinden sich in Kolumbien. Gegen 21 Uhr erreichen wir die Casa de Nieves und schlagen hier unser Nachtlager auf. Das Muli und sein Besitzer machen sich allerdings wieder auf den Rückweg zum Ausgangspunkt. Ich bin super ausgelaugt und ruhe mich aus, während José Andrés auf dem Gaskocher Ajiaco-Suppe aufwärmt. Zusätzlich gibt es Reis, Agua Panela und Tee. Bevor wir schlafen gehen, erzählt uns José Andrés von seinen Kletterabenteuern in Mittelamerika und Bolivien.

3.7.
In 3400 Metern Höhe frühstücken wir Rühreier mit Käse, was mir nicht sonderlich schmeckt. José Andrés schmiert derweil Sandwiches. Wir packen unsere Rucksäcke, die durch die zusätzlich zu transportierenden Lebensmittel und Kochutensilien deutlich an Gewicht zugelegt haben. Gegen 9 Uhr brechen wir im Regen auf. Bis zum Punkt 'Nieves' geht es bergauf, danach bergab. Wir schauen ins Tal und genießen die Aussicht auf zwei Ansammlungen kleiner Häuser, worunter sich wohl auch eine Schule befindet. Da das Gepäck im Laufe der Zeit immer schwerer zu werden scheint, lege ich häufig kurze Pausen ein, in denen ich Bockwurst, Sandwiches und Kekse einwerfe und reichlich trinke. In 3660 Metern Höhe erreichen wir die Finca Mesetas, in der wir Reis und Hackbällchen sowie einen süßen Salat essen, der angeblich typisch ist für die Bergküche. Während sich José Andrés und Christian auf den Weg nach El Cañon begeben, um die heißen Quellen zu besichtigen, bleibe ich in der Finca, ruhe mich aus und schlafe ein wenig. An der Zimmerdecke baut ein Vogel an seinem Nest.

>19. Junio - 3. Julio<

Cartagena de Indias - Parque Tayrona - Santa Marta

Marcel und Franny besuchen mich Anfang Mai. Nach einem Kurzbesuch in Girardot fliegen wir an die Karibikküste, um uns von Sonne, Strand und Salzwasser verwöhnen zu lassen.

Außerhalb des Terminals des Flughafens 'El Dorado' in Bogotá klebe ich gegen 15 Uhr gemeinsam mit anderen Wartenden ungeduldig an den Fensterscheiben und beobachte, wie sich Marcel und Franny durch die letzten Kontrollen kämpfen. Die Wiedersehensfreude ist riesig. Bei kräftigen Zigarettenzügen reagieren sich die beiden frisch auf südamerikanischem Boden Gelandeten von den Flugstrapazen ab. Wir steigen in ein registriertes Taxi, um uns für nicht wenige Pesos ins garnicht allzu weit entfernte Fastfood-Restaurant fahren zu lassen. Angeblich ist es teurer ein Taxi in die Stadt zu nehmen, als eines zum Flughafen. Außerdem ist heute der 1. Mai, auch hier ein Feiertag. Wir schlagen uns die Mägen voll. Die hiesigen Fastfood-Preise sind deutlich günstiger als in Deutschland, eine Tatsache, die wir im Laufe unseres gemeinsamen Urlaubs weitere Male ausnutzen werden. Marcel und Franny sind erschöpft. Marcel meint, dass das Flugpersonal - Iberia - unfreundlich war und beide erkennen, dass es ohne Spanisch-Kenntnisse schwierig ist, sich zurechtzufinden. Beim DAS hatten sie beispielsweise Schwierigkeiten bei dem Ausfüllen von Papieren zur Einreise in Kolumbien.
Wiedersehen
Gestärkt wird die zweite Zigarette auf kolumbianischem Boden geraucht und über das hiesige Verkehrs-Chaos gestaunt. Wir stürzen uns dennoch ins mehrspurige Abenteuer und fahren weiter zum Busbahnhof. Kaum in der Bahnhofshalle angekommen, wird auch schon fleißig und lautstark auf uns eingeschrien. Da wir nach Girardot möchten, nähern wir uns dem lautstarken Girardot-Geschrei und man versichert uns, dass ein Bus gleich losfahren wird. Während ich die Fahrkarten kaufe, ist ein Typ der Meinung, sich Frannys Koffer greifen zu müssen, um ihn zum Bus zu rollen. Wir rennen dem Typen hinterher. An kolumbianischen Busbahnhöfen muss man auf sein Gepäck gut Acht geben. Nachdem die riesigen Gepäckstücke in einem großen Bus verstaut sind, ahne ich schon, wielange die Fahrt dauern wird, denn der Bus ist kaum besetzt. Wir setzen uns in die letzte Reihe und es dauert tatsächlich nicht lange, bis wir das Bahnhofsgelände verlassen. Um den Bus mit Fahrgästen zu füllen, schreit der Beifahrer während der Fahrt regelmäßig kräftig aus dem geöffneten Fenster oder der offenen Tür: "Melgar – Girardot!". Der Bus füllt sich. Die Strecke ist häufig unbefestigt, außerdem sehr kurvenreich. Der Fahrstil des Busfahrers ist mutig, dementsprechend abenteuerlich und nervenaufreibend ist die etwa dreistündige Fahrt. Gegen 22 Uhr kommen wir im rund 150 km entfernten und um 2300 Höhenmeter tiefer liegenden Girardot an. Franny und Marcel machen Bekanntschaft mit tropischem Klima und wir rollen zwei Roll-Koffer durch die fast menschenleeren Straßen. Wir begegnen Jaime, dem Nachtwächter in meiner Straße. Marcel und Franny sind hin und weg von der Einrichtung im Haus. Wir räumen ein drittes Schlaflager in mein Zimmer, denn Franny hat Angst, sich das Nachbarzimmer allein mit mehrbeinigen Mitbewohnern zu teilen. Kurz vor Mitternacht begeben wir uns in das mit zwei Tischventilatoren gemütlich eingerichtete Nachtlager, um uns von dem anstrengenden Tag zu erholen und eine ordentliche Mütze Schlaf zu tanken.
Ausgeschlafen springen wir kurz in den Pool und beginnen mit der Frühstückszubereitung. Ich presse Orangen, außerdem gibt es Cornflakes und Spiegeleier. Nachdem wir uns im Wohnzimmer in die große Hängematte schmeißen, begeben wir uns ins Zentrum der etwa 100.000 Einwohner zählenden Stadt. Vorher machen wir jedoch einen kurzen Abstecher bei meinem Nachbarn bzw. Gastonkel José Alejandro, den wir gerade beim Mittagessen stören. In seiner ernsten Art führt er uns stolz durch Haus und Hof und wirkt auf Marcel und Franny unsympathisch. Seine Hausangestellte Leonilde hingegen begegnet uns mit einem freundlichen Wesen und mit einem frischen Ananas-Saft. Wir verabschieden uns und treffen auf weitere Personen, die in meiner Straße wohnen bzw. arbeiten. Aufgrund der Sprachbarrieren bleibt es bei kurzen Begrüßungen. Erster Anlaufpunkt ist die Plaza del Mercado, der Marktplatz. Wir laufen an zahlreichen Obst- und Gemüseständen vorbei und betreten die Fleischhalle, welche wir jedoch direkt wieder verlassen, weil es furchtbar unangenehm riecht und viel Blut auf dem Boden liegt. Weiter geht es in die belebte Haupthalle, in der wir Gebäck und schmackhafte Granadillas kaufen. Im Obergeschoss schauen wir uns Kunsthandwerk wie Sombreros, Hängematten, Ponchos etc. an. Wir kaufen eine Packung 'Kuka' (aus dem Valle), eine Art Lebkuchen, verlassen die Halle wieder und besichtigen schweißgebadet die Kirche am Markt. Nun machen wir uns auf den Weg zu meinem Lieblings-Saftladen. Wir bestellen zwei Mandarinen-Säfte, einen Erdbeer-Saft und eine Empanada, eine gefüllte Teigtasche. Alles schmeckt hervorragend. Ein Kolumbianer mit amputiertem Unterarm stellt sich zu uns an den Tisch und bastelt aus Palmenblättern zwei Heuschrecken sowie einen an einer Angel hängenden Fisch. Mit 3000 Pesos bedanken wir uns für die Ergebnisse seiner Fingerfertigkeit. Nachdem wir die Palmenkunst nach Hause gebracht und hier kurz Pause gemacht haben, gehen wir zum Parque Bolívar, wo sich Kinder unter den Wasserfontänen vergnügen. Wir überqueren die Brücke, die über den Río Magdalena führt und die Gemeinden Girardot und Flandes verbindet, zweimal, und halten uns kurz am Hafen auf. Kinder baden im Fluss und wir entscheiden uns, es ihnen nicht gleich zu tun. Anschließend geht es zurück ins Zentrum und meine beiden Gefährten stellen beim abendlichen Einkauf mit Freuden fest, dass Zigaretten hier sehr günstig sind. Wir bringen den nikotinlastigen Einkauf nach Hause und die deutschen Mitbringsel Baumkuchen sowie ein halbes Zwiebelbrot bei einer befreundeten Familie vorbei. Nach dem Abendessen packen wir unsere Sachen und schmeißen uns in die Federn.
Kunsthandwerk in der Markthalle
Erfrischungsgetränke
Palmenkunst

Blick über den längsten Fluss Kolumbiens

Am Sonntagmorgen endet die Bettruhe bereits gegen 5 Uhr. Nach dem Frühstück werden die in Deutschland sehnsüchtig erwarteten Lebenszeichen per moderner Internet-Telefonie erfolgreich übermittelt und wir nehmen gegen 7 Uhr ein Taxi zum Busbahnhof. Der ausgeschlafene Taxifahrer bietet uns seine Finca für Urlaubsaufenthalte an und meint, dass das Quecksilber in Girardot vor kurzem die 45 Grad-Marke passierte. Das glaube ich gern. Begleitet von leichtem Regen fliehen wir gegen 7:30 Uhr vor einem weiteren Tag in der Hitze und machen uns auf den Weg in das kühle Hochland.
Girardot weint, als wir am Morgen aufbrechen
 
In Bogotá verstauen wir die meiner Ansicht nach unpraktischen Roll-Koffer bei einer befreundeten Familie, begeben uns stattdessen mit einem prall gefüllten Trecking-Rucksack zum Flughafen und heben mit Aero República in Richtung Cartagena de Indias ab. Am Zielort angekommen, suchen wir nach einer Herberge und werden schließlich im Handwerksviertel Getsemani fündig. Das 'Casa Viena', dessen Inhaber Österreicher ist, soll für die nächsten Tage unser Domizil sein. Nachdem wir uns eine Weile an unserem Drei-Bettzimmer erfreuen, verlassen wir die Herberge und streifen durch die schmutzigen Straßen eines Stadtviertels, dessen Einwohner größtenteils dunkelhäutig sind. Die Afrokolumbianer sitzen auf den Gehwegen und vermitteln uns ein Gefühl von Unsicherheit. Schnellen Schrittes suchen wir nach einer Umgebung, die uns den Gedanken an einen möglichen Überfall vergessen lässt. Schließlich gelangen wir zur Promenade. Das Wetter ist wechselhaft. Die zum Teil überfluteten Straßen zeugen von größeren Niederschlägen an den Vortagen.
Zimmer im 'Casa Viena'
Heute, am Montag, geht es in die komplett ummauerte Altstadt Cartagenas, die von engen Gassen und farbenprächtigen Fassaden geprägt ist und seit 1984 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. In der über eine Million Einwohner zählenden Stadt blüht der Tourismus. Nachdem wir bei Juan Valdez und im Hard Rock Café Halt gemacht haben, spazieren wir auf dem Schutzwall entlang, welcher im 18. Jahrhundert zum Schutz vor Attacken und Plündungen durch Piraten errichtet wurde. Kanonen stellen eindrucksvolle Zeugen jener Zeit dar.



Am Dienstag erobern wir das Wasser und unternehmen einen Ausflug mit dem Boot 'Alcatraz'. Wir passieren mehrere kleine Inseln und verbringen einen etwa einstündigen Aufenthalt auf der Isla San Martin de Pajares. Hier erwarten uns in einem der schönsten Unterwasserzoos der Karibik, dem 'Oceanario', interessante Meeresbewohner wie riesige Zackenbarsche, Rochen, Haie und Schildkröten sowie eine Delphin-Show. Anschließend geht es weiter zum Playa Blanca, dem weißen Strand. Nachdem wir ein im Ausflugspreis inbegriffenes Mittagessen erhalten, können wir es kaum erwarten, uns in das kristallklare Wasser zu stürzen. Etwas erstaunt, aber nicht weniger froh darüber, stellen wir fest, dass sich an diesem herrlichen Fleckchen Erde eine sehr überschaubare Zahl an Badegästen aufhält. Allerdings werden wir mehrmals von aufdringlichen Händlern und Masseusen belästigt. Marcel gerät für einen Moment in einen Schockzustand, da er seine Kamera nicht finden kann, welche kurz zuvor von Franny in Sicherheit gebracht worden war.

Pescado, arroz con coco y patacones



Nach einem erholsamen Tag auf dem Wasser verlassen wir am Mittwochmorgen eine der schönsten Kolonialstädte Südamerikas mit einem Kleinbus in Richtung Santa Marta. Wir passieren die Industriestadt Barranquilla und erreichen schließlich Taganga. Der Busfahrer empfiehlt uns im 'Casa de Felipe' zu übernachten, einer stilvollen Herberge. Hier beziehen wir um die Mittagszeit ein Zimmer mit dazugehöriger Hängematte. Auf dem Weg zum Strand finden wir ein gemütliches Plätzchen und essen gebratenes Hühnchen mit Reis und Bohnen. Da der Strand im Ort nicht zum Baden einlädt, wandern wir auf der Suche nach einem schöneren Strand die kargen und von Kakteen bewachsenen Hügel hinauf, zwischen denen wir schließlich fündig werden.


Nach einem ausgiebigen Frühstück im gemütlich eingerichteten Außenbereich wollen wir heute, an Marcels und meinem Geburtstag, zum Highlight unseres Ausfluges fahren, dem Parque Tayrona. Es soll der schönste Nationalpark des Landes sein. Vorher geht es aber noch kurz in die Innenstadt von Santa Marta, um den Rückflug nach Bogotá um einen Tag zu verschieben. Ohne Zuzahlung wird unser Anliegen bearbeitet. Mit dem Bus fahren wir zum Eingang des Tayrona-Parks, bezahlen umgerechnet 10 Euro Eintritt und setzen die Fahrt mit einem Kleinbus fort. Nach einigen Kilometern erreichen wir gegen 12 Uhr den Bereich, ab dem es motorisiert nicht mehr weiter geht, sodass wir uns nun auf den Fußmarsch begeben. Tausende von Blattschneiderameisen kreuzen unseren Weg. Als wir das Meer erreichen, kommen wir aus dem Staunen kaum heraus. Vor uns toben die Wellen an den weißen Sandstrand. Hinter uns befinden sich der Regenwald und die Nebelwälder der Sierra Nevada de Santa Marta. Im Camp angekommen, verstauen wir unser Gepäck und stürzen uns sogleich in die Fluten. In Gesellschaft vieler kleiner Krebse, die sich nach und nach aus dem Sand an die Oberfläche graben, sitzen wir am Abend gemütlich zusammen.
Eingang zum Parque Tayrona


Nach einer eher schlaflosen Nacht in der Hängematte und einem leckeren Frühstück genießen wir auch heute wieder die Ruhe am Strand. Zum Glück sind auch hier nur wenige andere Urlauber anzutreffen. So stellen wir uns das Paradies vor. Während ich mich zumeist im Schatten aufhalte, können Marcel und Franny gar nicht genug bekommen von den Sonnenstrahlen und dem Baden im Meer. Die rötliche Farbe ihrer Haut wird sie noch in den Wochen danach an das ausgiebige Sonnenbad erinnern.
Durchhänger
Vitaminbombe macht stark für den Tag
Strandidylle





Am Freitagnachmittag verlassen wir den Nationalpark mit dem Gefühl, hier zwei wunderbare Tage erlebt zu haben. Sicher war der Fußmarsch durch das teilweise sehr unwegsame Gelände auch anstrengend, doch die umgebende Natur und die Strandidylle bleiben unvergessen. Da es keinen Bus gibt, handeln wir mit einem Taxifahrer, dem auf dem Weg nach Taganga fast das Benzin ausgeht. Im Regen durchfahren wir dank der Blüte eines Gehölzes durch eine punktuell gelb gefärbte hügelige Landschaft. Weil es so schön war, übernachten wir ein weiteres Mal im 'Casa de Felipe'.
Heute besichtigen wir Santa Marta, die älteste Stadt des Landes. Zunächst besuchen wir die Quinta de San Pedro Alejandrino, dem Landgut des Nationalhelden Simon Bolívars. Hier verbrachte der südamerikanische Unabhängigkeitskämpfer seine letzten Lebensjahre, bevor er 1830 verstarb. In den heute als Museum genutzten Räumlichkeiten wurde ursprünglich Zuckerrohr verarbeitet. Große Leguane, iguanas genannt, können wir in den gepflegten Außenanlagen beobachten. Nachdem wir uns die Kirche ansehen, kurbeln wir die lokale Wirtschaft durch den Souvenir-Kauf ein wenig an und übernachten im 'Casa Familiar', bevor es am nächsten Tag wieder Richtung Bogotá geht.




> 1./10.-V-'09 <