Wanderung Cottbus - Bad Muskau

Am Gründonnerstag treffen wir uns gegen 15:30 Uhr am Seehäuser Bahnhof, um uns von hier aus in das Wanderabenteuer in der Lausitz zu stürzen. Es regnet, also nichts wie weg hier. Mit der S-Bahn fahren wir zunächst über die Elbe. Am Wittenberger Bahnhof angekommen, erwerben wir ein Brandenburg-Berlin-Ticket und finden spontan einen fünften Mitfahrer. Gemeinsam steigen wir in den RE der ODEG, der uns ins etwa 300 km entfernte Cottbus bringen soll, wo sich unsere Gruppe um die aus Leipzig anreisende Ines erweitern wird. Je näher wir der Hauptstadt kommen, desto mehr füllt sich der Zug. Sitzen wir anfangs noch gemütlich in zwei Vierersitzen und schenken uns den von Franny mitgebrachten Eierlikör ein, machen wir später Tante Conny und ihrem Neffen Platz, die mit Hund Tyson auf dem Weg zu einem Osterfeuer sind. Am Ausgang des Cottbusser Bahnhofsgebäudes fällt uns Ines in die Arme, bestens ausgerüstet mit wandertauglicher Kleidung einer bekannten Outdoor-Marke. Uns bleibt etwa eine Stunde, um in der im Stadtzentrum gelegenen Jugendherberge einzuchecken. Auf dem Weg dorthin wird erst einmal der auf der anderen Straßenseite befindliche Bankschalter um einige Scheine erleichtert, bevor wir einen Passanten bitten, von uns ein Gruppenfoto zu machen. Im Umgang mit dem Smartphone ungeschickt, reiche ich seinen zittrigen Händen meine Digitalkamera, doch auch mit dieser will ihm kein vernünftiges Foto gelingen.
VeRwaCkeltER StARt iN CoTTBus
Entlang der Bahnhofstraße geht es nun in Richtung Norden und pünktlich um 20 Uhr erreichen wir den Klosterplatz und damit unser Ziel. Geschockt über die geschlossene Tür laufe ich zum ebenfalls zur Jugendherberge gehörenden Nachbargebäude und bin froh, als mir hier eine freundliche Frau öffnet. Mit Zimmerschlüssel und Bettzeug in fünffacher Ausführung bewaffnet, eile ich zu den Anderen. In Zimmer 2 stehen uns ein Einzelbett sowie zwei Etagenbetten zur Verfügung und schräg gegenüber des Zimmers befindet sich ein behindertengerechtes Bad. Es dauert eine Weile, bis wir durchschauen, auf welche Weise man die hiesigen Bettbezüge über Kissen und Decke stülpt. Nachdem unsere Schlaflager für die Nacht vorbereitet sind, entdecken alle bis auf Franny einen lila Osterhasen an ihren Betten. Nun steht es also fest, der Osterhase ist weiblich und kommt aus Hamburg. Da wir erfahren haben, dass es einen 24h-Supermarkt in der Nähe gibt, begeben wir uns auf den Weg dorthin. Wir scheinen nicht die Einzigen zu sein, die wenige Stunden vor den Feiertagen ihre Vorräte auffüllen wollen und helfen den anderen Einkäufern beim Leeren der Regale. Interessiert beobachten Ines und ich Marcel und Franny vor dem Spirituosen-Paradies. Auf dem Rückweg machen wir im Steakhaus AMEDO Halt. Wie klein Cottbus doch ist, denke ich, als mich im Restaurant die Emfangsdame von der Jugendherberge grüßt. An Tisch 8 werden uns Nudeln mit Spinat, Ruccolasalat und andere Gerichte gereicht, sodass wir uns gegen Mitternacht gut genährt in die Federn schmeißen können.
 
Bei spanischen Klängen beginnt für einige von uns am Karfreitagmorgen der Tag, während andere bereits wach im Bett liegen. Langschläfer Marcel stört das morgendliche Gewusel wenig. Es dauert eine Weile, bis auch er sich aus dem Bett pellt und sich zwei Hände voll Wasser ins Gesicht wirft. Ordnungsgemäß tragen wir das genutzte Bettzeug zum Nachbargebäude und widmen unsere Aufmerksamkeit dem Frühstücksbuffet, das übersichtlich, aber ausreichend ist. Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen (Rum-Cola, Süßes) brechen wir gegen 10:15 Uhr auf. 16 km liegen laut Plan vor uns. Wir verlassen die knapp 100.000 Einwohner zählende Stadt in Richtung Süden. Kaum ist die Spree erreicht, bewaffnen sich Ines und Franny sogleich mit Wanderstöcken. Zwischen Kleingartenanlage und Spree wandern wir auf einem ausreichend breiten Weg, auf welchem uns mehrere Läufer und Radfahrer entgegenkommen. Da der Branitzer Park ziemlich abseits unserer aktuellen Route liegt, entscheiden wir uns gegen einen Besuch, überqueren das Wehr also nicht. Am Ufer staunen wir über die Luftwurzeln einer in Nordamerika heimischen Sumpfzypresse.
Die ersten Meter
Blick auf die Spree
Fernwanderweg E 10-Markierung Weiß-Blau-Weiß

Weiter geht's ..
Luftwurzeln
Wir folgen der Markierung des Fernwanderweges E 10 und halten uns stets rechts der Spree. Auf der rechten Seite befinden sich Anlagen für den Pferdesport und eine riesige Sau ist zu sehen. Im Restaurace Vaclav Kutzeburger Mühle angekommen, bestellen wir uns mit dem Potsdamer ein Mischgetränk aus Bier und Himbeerlimonade und wundern uns über den Preis von 1,81 EUR, für den selbst die Bedienung auf Nachfrage keine Erklärung hat. Auch für die Speisen verlangt das Gasthaus krumme Beträge. Nachdem wir unsere Wanderung Richtung Talsperre Spremberg fortsetzen und in Gedanken unseren Wanderrucksack mit einem Hund namens Tyson, drei schwarzen Schlüpfern sowie weiteren kuriosen Gegenständen packen, stellen wir fest, dass wir einen Umweg gegangen sind. So habe ich nicht bedacht, dass sich die Beschilderung der Talsperre Spremberg auch auf die westlich des Stausees gelegene Route bezieht. Geplant ist allerdings, östlich des Stausees zu wandern. Nun geht es 4 km die Landstraße entlang. In Neuhausen/Spree wollen wir die Bahn Richtung Bagenz erreichen. Enttäuscht sehen wir der Kleinbahn zu, wie sie vor unseren Augen abfährt. So bleibt uns nichts anderes übrig, als auf dem Bahnsteig auf die nächste Bahn zu warten.



Im zur Gemeinde Neuhausen/Spree gehörenden Ortsteil Bagenz angekommen, orientieren wir uns zunächst an Frannys Google-Wegweiser. Unsicher darüber, dass uns die App den richtigen Weg zum Bahnweg 8 weist, fragen wir einen Anwohner, der uns auf die korrekte Route aufmerksam macht, sodass wir schließlich dem asphaltierten Weg entlang der Bahngleise folgen. Lauthals lachen wir, als Franny enttäuscht feststellt, dass die Siedlung weit und breit nicht in Sicht ist und dennoch fragt, ob es noch weit sei, worauf Marcel ihr gegenüber entgegnet, dass es tatsächlich noch weit ist, es sei denn, die Siedlung befindet sich direkt hinter der kleinen Baumgruppe, die unmittelbar vor uns liegt. Nachdem wir ein kleines Wäldchen passieren, erreichen wir unser Nachtquartier Zum Dorfkrug, in welchem gerade Hochbetrieb herrscht. Freundlich zeigt uns Wirtin Silke die zwei im Nachbargebäude befindlichen Doppelzimmer sowie die an das eine Doppelzimmer angrenzende Grünfläche, auf der in den nächsten Minuten das Zelt aufgebaut wird. Als wir am Restauranttisch nahe der Theke Platz nehmen, werden wir auch vom jungen Kellner freundlich begrüßt. Sichtbar unangenehm ist es ihm, als Kai ihn auf die Korkbrösel in seinem Rotweinglas anspricht, woraufhin er schnellen Schrittes ein neues Glas serviert. Um ihn nicht noch einmal peinlich berührt zu sehen, behalten wir die Erkenntnis, dass der Spargel auf unseren Tellern kalt ist, für uns. Die heutige Wanderung hat ihre Spuren hinterlassen und so fallen wir gegen 23 Uhr erschöpft ins Bett bzw. auf die Isomatte.

Als wir am Frühstückstisch nach weiteren Brötchen fragen, erhalten wir eine enttäuschende Antwort. Mit einem klaren 'Nein' macht Wirtin Silke deutlich, dass drei Brötchen pro Person ausreichend sind. Heute zeigt sie sich von einer ganz anderen, unfreundlichen Seite. Unser Meinung nach sollte es ihr kaum Arbeit bereiten, ein paar Tiefkühlbrötchen im Ofen aufzubacken. Vermutlich ist sie schlichtweg schlecht gelaunt, weil wir das Frühstück erst um 9 Uhr einnehmen – für Wanderer ein ziemlich später Start in den Tag, was sie uns sinngemäß zu Verstehen gibt. Zwar hat sie damit Recht, doch wünscht man sich vom Gastgeber einen freundlicheren Umgangston. Auf das geringe Wechselgeld beharrend, ziehen wir enttäuscht über diese Begegnung weiter. Der Hauptstraße zunächst folgend, biegen wir rechts ab und überqueren die Bahngleise. Überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist, halten wir uns nun links und werden schließlich doch eines Besseren belehrt, als wir plötzlich am Rande eines Ackers stehen. Eine freundliche Anwohnerin klärt uns auf und gibt uns zu Verstehen, dass wir nicht die Ersten sind, die sich hierher verirren. Als wir das am Ostufer des Stausees gelegene Spreecamp erreichen, bläst uns ein starker Wind entgegen. Unter einer überdachten Sitzgelegenheit legen wir eine kurze Rast ein. Gestärkt wandern wir auf einem asphaltierten Weg durch den Kiefernwald. Als es zu regnen beginnt, werfen wir uns die Regenkleidung über, und hin und wieder genießen wir einen herrlichen Blick auf den See. Da es in der Ortschaft Sellessen keine Möglichkeit zur Einkehr gibt, nutzen wir außerhalb des Ortes eine Bankgruppe für eine Brotzeit.
Spremberger Stausee
Kurze Rast
Nächste Rast
Entlang der Spree wandern wir in Richtung Spremberg, wo wir die Bahn nach Schleife nehmen wollen. Die Freude über das Erreichen der etwa 22.000 Einwohner zählenden Stadt ist allerdings nur von kurzer Dauer, da sich der Bahnhof ziemlich weit außerhalb des Zentrums befindet. Erschöpft schleppen wir uns im Regen den Hügel hinauf und verfluchen die Kurve, die kein Ende zu nehmen scheint. Ziemlich kraftlos erreichen wir schließlich den Bahnhof. Als wir im wenige Kilometer entfernten Dorf Schleife einige Rentnerinnen nach dem Weg zum örtlichen Supermarkt fragen, mischt sich ein Mann in das Gespräch ein und bietet uns spontan eine Mitfahrgelegenheit in seinem Kleinbus an, welche wir dankend annehmen. Während im Supermarkt eingekauft wird, erzählt Fred vom in der Nähe befindlichen Tagebau Nochten sowie der im Kromlauer Park gelegenen Rakotzbrücke, dir wir nicht zu Gesicht bekämen, wenn wir – wie ursprünglich geplant – ein Taxi zu unserer nächsten Unterkunft nehmen würden. Er schlägt uns vor, uns bis zu eben dieser zu fahren und uns auf dem Weg dorthin den Tagebau sowie die Brücke zu zeigen - wir sind dabei! Der ortskundige Fred berichtet von den großzügigen Entschädigungszahlungen seitens des Unternehmens Vattenfall sowie die in den vergangenen Jahren stattgefundenen Umsiedlungen. Wir passieren prächtige Wohnanlagen und können uns vorstellen, dass sich der ein oder andere Bewohner nicht lange bitten lassen musste, seinen Grund und Boden zu verlassen und anderenorts neu zu bauen. Im Übrigen ist die lokale Bevölkerung so eng mit dem Braunkohletagebau verbunden, dass die Notwendigkeit der Umsiedlung nichts Neues ist. Fred erzählt, dass die Region durch zahlreiche Hohlräume unterhalb der Erdoberfläche gekennzeichnet ist. Vor Jahren seien Kinder beim Pilze sammeln verschluckt worden, als der Boden plötzlich nachgab. Nachdem wir auf einem unbefestigten Weg inmitten des Kiefernforstes Halt machen, fehlen nur wenige hundert Meter, bis wir vor einer Tagebaufläche mit gigantischen Dimensionen stehen. Früher hatte hier einmal Urwald gestanden. Wir überqueren die Gleisen der Waldeisenbahn und blicken etwa 70 Meter in die Tiefe. Vor uns steht eine der größten beweglichen Maschinen der Welt inmitten riesiger Abraumflächen. An der Abbruchkante unter dem Informations-Pavillon stehend, ist am Horizont der Mondlandschaft das Kohlekraftwerk in Boxberg zu erkennen.


Unseren von Monotonie ermüdeten Augen wollen wir nun neue Reize bieten und finden dafür mit dem Kromlauer Park die ideale Umgebung. Der im 19. Jahrhundert angelegte und etwa 200 ha große Landschaftspark ist bekannt für seine Azaleen- und Rhododendren, die uns zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht mit ihrer Blütenpracht erfreuen. Stattdessen finden wir an der um 1860 aus Basaltsteinen gebauten Rackotzbrücke Gefallen, die sich bei hellem Licht und Windstille im Wasser spiegelt und deren Bogen im See einen perfekten Kreis bildet. Zahlreiche Filme wurden in dieser märchenhaften Kulisse gedreht, verrät uns Fred, der sehr gerne im Park seine Runden dreht.
Rackotzbrücke ..

.. im Kromlauer Park ..
.. mit Spontan-Reiseführer Fred
Von hier aus fahren wir nach Halbendorf, wo wir uns von Fred vor Paulo's Pension und Landgasthof absetzen lassen und uns mit einem schokoladigen 'Merci' für die kleine Tour bedanken. Während Marcel, Kai, Franny und Ines in der mit einem orange-roten Anstrich optisch sehr ansprechenden Pension einchecken, begebe ich mich gegen 20 Uhr auf den Weg zum Campingplatz am Halbendorfer See. Ich rufe die an der Rezeption vermerkte Telefonnummer an und erhalte wenige Minuten später einen Schlüssel für das Sanitärgebäude. Ging es mir doch in erster Linie darum, eine Erlaubnis für das Aufschlagen meines Zeltes zu erhalten, verschiebe ich die Suche nach einem geeigneten Zeltplatz auf später, und kehre stattdessen zur Pension zurück, um mit den Anderen Abend zu essen. Wir sind begeistert von dem, was uns Wirtin Michaela auftischt und erstaunt, dass sie alles allein zubereitet. Der Spargel zeugt von frischer Ernte und schmeckt um Längen besser als jener, der uns in der Gaststätte des vorherigen Abends serviert wurde. Nach einem nicht weniger köstlichen Eisbecher schmeißen wir uns in die Federn oder kriechen in den Schlafsack.

Zwar sind es zum Ufer nur ein paar Meter, doch der starke Wind und eine nicht vorhandene Duschmarke sind Grund genug, mich um 7 Uhr in der Früh nicht in die Fluten des Halbendorfer Sees zu stürzen. Als einziger Zeltcamper baue ich meine mobile Unterkunft wieder ab und suche die einige hundert Meter entfernte Pension auf. Meine Wanderfreunde sitzen bereits am Frühstückstisch und bedienen sich am reichhaltigen Angebot. Nach einem schmackhaften Frühstück stehen bis auf eine Ausnahme alle pünktlich an der Straße und warten auf das bereits am Vorabend bestellte Taxi. Wir hatten uns gemeinschaftlich entschieden, die heutige Etappe motorisiert zurückzulegen, da wir im Muskauer Park ohnehin genug Gelegenheit zum Wandern haben werden. Mit fünfzehnminütiger Verzögerung trifft schließlich das Großraumtaxi aus Weißwasser ein. Mit dem Namen unserer nächsten Herberge, dem Glockenhof, kann unsere schwerhörige Taxifahrerin gar nichts anfangen. Die entsprechende Adresse, die ich ihr nenne, wird im Rahmen eines Telefongespräches mit ihrer Tochter von eben dieser bestätigt, sodass wir uns nun ziemlich sicher sein können, dass uns Frau Kaiser nicht nach Honolulu fahren wird.
Nachtlager am Halbendorfer See
Paulo's Pension

Auf das Taxi wartend
Tatsächlich erreichen wir gegen 10 Uhr unser Ziel, welches sich etwa 4 km außerhalb von Bad Muskau befindet. Sofort springt uns die liebevoll gestaltete Außenanlage des offenen Vierseitenhofes ins Auge. Eigentlich hatte uns Birgit Jurtz erst am Abend erwartet, doch unsere verfrühte Ankunft scheint für unsere Gastgeberin offensichtlich kein Problem zu sein. Freundlich führt sie uns über den Hof und geleitet uns durch die große Glasfront in das großräumige und sehr gemütlich eingerichtete Heuhotel. Durch einen Raumteiler getrennt, befindet sich auf der einen Seite ein ca. 12 m² großes Heubett, dessen Unterlage im unteren Bereich aus einer etwa 40 cm starken Strohschicht und im oberen Bereich aus einem Heu- und Strohgemisch gebildet wird. Auf der anderen Seite steht eine Tisch- und Bankgruppe sowie mehrere Vitrinen mit bäuerlichem Inventar. Zahlreiche Wandbilder und Broschüren informieren über die Sehenswürdigkeiten sowie die floristischen und geologischen Besonderheiten der Region. Besondere Aufmerksamkeit zieht ein großer Heuwagen auf sich, der ebenfalls mit Heu ausgelegt ist und als Schlafplatz dient. Völlig fasziniert von der Einrichtung des Heuhotels folgen wir Frau Jurtz in die zu Sanitäranlagen umfunktionierten Schweineställe, die nicht weniger Anlass zum Staunen bieten. Die Wände lediglich gekalkt, wirken die Räumlichkeiten durch den - mit Ausnahme der notwendigen Installationen - weitgehenden Verzicht auf Kunststoff sehr urig. Überall auf dem Hof stehen oder hängen landwirtschaftliche Geräte sowie zahlreiche liebevoll bepflanzte Tongefäße. Scherzhaft teilen wir unser Gastgeberin mit, dass wir den Muskauer Park nicht besichtigen müssen, denn auch auf dem Glockenhof gibt es soviel zu entdecken.

Schließlich packen wir doch unseren Tagesrucksack und begeben uns zur wenige hundert Meter entfernten Neiße, dem Grenzfluss zu Polen. Auf dem Oder-Neiße-Radweg in Richtung Bad Muskau wandernd, werden wir von einem Hagelschauer überrascht. Eingehüllt in unsere Regenponchos erreichen wir nach etwa einer Stunde den Muskauer Park und suchen zunächst die im Alten Schloss untergebrachte Touristeninformation auf, um uns im Anfang des 19. Jahrhunderts von Fürst Pückler angelegten Park zu orientieren und uns über mögliche Unternehmungen zu informieren. Wir würden gerne eine Kutschfahrt im Landschaftspark unternehmen, doch aufgrund des Regens soll uns dieses Vergnügen nicht vergönnt sein. Stattdessen suchen wir eine am Marktplatz gelegene Bäckerei auf, in der wir uns mit Soljanka, Bratkartoffen und Rüblikuchen stärken. Von hier aus zunächst der Hauptstraße folgend, befinden wir uns schließlich am Grenzübergang. Auf der anderen Flussseite sehen wir Stände des Polenmarktes, von welchem wir schon viel gehört haben und den wir nun besuchen wollen. Nachdem wir die Postbrücke überquert haben und die ersten Stände passieren, stellen wir fest, dass viele von ihnen geschlossen sind. Mit dem Kauf einer Tüte Lollis kurbeln wir die polnische Wirtschaft an und kehren dem polnischen Grenzort Łęknica wieder den Rücken.
Ankunft im Muskauer Park
Postbrücke

Grenzfluss Neiße
Da es momentan nicht regnet, schlendern wir durch die Parkanlage und gönnen uns im Café des Neuen Schlosses eine Heiße Schokolade und ein leckeres Stück Fürst-Pückler-Torte. Auf einen Restaurantbesuch wollen wir auch an diesem Tage nicht verzichten und so betreten wir erwartungsvoll die Schloßschänke. Während das Lesen von lustigen Sprüchen in der Speisekarte für Heiterkeit sorgt, ist der Service eher ernüchternd. Die Kellner scheinen nämlich nicht zu wissen, welche Suppen noch vorrätig sind. Über einen derart großen Mangel an restaurantinterner Kommunikation staunend, steigen wir ins Taxi, welches uns zum Glockenhof fährt, wo die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Ein wenig Unordnung gibt es jedoch auch hier, denn nicht alle von uns dürfen sich aufgrund offensichtlich kleiner Warmwasser-Boiler an einer ausgiebigen heißen Dusche erfreuen. Empört reisst die fröstelnde Ines gemeinsam mit Warmduscherin Franny die Tür des Heuzimmers auf, berichtet von ihrem unfreiwilligen Abenteuer und erfährt, dass auch Kai vorwiegend mit kaltem Wasser Vorlieb nehmen musste. Zügig kriechen wir in unsere Schlafsäcke und tauschen uns über den Tag aus. Zu einem Wrestling im Heu im Schlafsack-Kostüm sind unsere Knochen zu müde, und so ziehen sich Franny und Ines ins vermutlich wohl temperierte Wohnhaus der Familie Jurtz zurück, während Marcel, Kai und ich im Heu liegen bleiben.
Blick in den Park
Neues Schloss (erbaut 1646-1653)

Heulager
So angenehm warm, wie erhofft, war die Nacht im Wohnhaus gar nicht. Auch die Tatsache, dass ein achtbeiniger Gliederfüßer den beiden Mädels Gesellschaft leistete, machte die Situation nicht unbedingt erträglicher. Detailliert schildern sie ihre Erlebnisse am mit Brötchen, Aufschnitt, aufgeschnitteten Eiern, Kaffee, Tee und Obst gedeckten Frühstückstisch. Marcel hingegen hat im Heu eher geschwitzt, was sicher an den mehreren Lagen Schlafsäcken lag. Unsere Gastgeber hatten die lautstarken Gespräche über die Missstände im Erdgeschoss registriert, lässt uns Birgit wissen, als sie plötzlich in den Frühstücksraum tritt. In der Tat sei es vergangene Nacht ziemlich kalt gewesen im Wohnhaus, meint sie. Der 30-Liter-Boiler hätte allerdings für zwei Personen bisher immer gereicht. Schnell vergessen sind die erlebten Mängel, als wir nach dem Begleichen unserer Rechnung von Birgit gebeten werden, ihr zu einer kleinen Galerie mit bäuerlichen Geräten zu folgen. Hier erfahren wir von unserer wortgewandten Gastgeberin, die als Geoparkführerin Wanderungen durch den Muskauer Faltenbogen anbietet, viel Interessantes über die Geschichte des Hofes. Ihren Monolog beendet sie zu unserer Überraschung mit einem Quiz, indem sie fragt, wer der Begründer der modernen Landwirtschaftslehre sei. Clever, wie wir sind, können wir einige der vier Antwortmöglichkeiten ausschließen, sodass wir ihr mit Albrecht Daniel Thaer die korrekte Antwort geben. Es ist ein sehr schönes Ende eines überwiegend sehr schönen Aufenthaltes und so verabschieden wir uns gegen 10 Uhr von der Glöcknerin und ihrem Glockenhof. Zu Fuß legen wir die etwa 4 km bis ins Zentrum Bad Muskaus zurück, stärken uns erneut in der am Markt befindlichen Bäckerei und nehmen um 13 Uhr den ins nahe gelegene Weißwasser fahrenden Bus. Von hier aus geht es über Cottbus wieder in die Heimat. Viele interessante Eindrücke nehmen wir mit, vor allem aber die Erkenntnis, dass ein Kilometer doch wesentlich länger ist, als gedacht.

Frisch ist nicht nur das Frühstück
Gemütliches Ambiente

Heuwagen blieb unbelegt
Blick auf den Hof

Denkmal der Glöcknerin Birgit Jurtz
 > 13./17. April <