Am
Gründonnerstag treffen wir uns gegen 15:30 Uhr am Seehäuser
Bahnhof, um uns von hier aus in das Wanderabenteuer in der Lausitz zu
stürzen. Es regnet, also nichts wie weg hier. Mit der S-Bahn fahren
wir zunächst über die Elbe. Am Wittenberger Bahnhof angekommen,
erwerben wir ein Brandenburg-Berlin-Ticket und finden spontan einen
fünften Mitfahrer. Gemeinsam steigen wir in den RE der ODEG, der uns ins etwa
300 km entfernte Cottbus bringen soll, wo sich unsere Gruppe um die
aus Leipzig anreisende Ines erweitern wird. Je näher wir der
Hauptstadt kommen, desto mehr füllt sich der Zug. Sitzen wir anfangs
noch gemütlich in zwei Vierersitzen und schenken uns den von Franny
mitgebrachten Eierlikör ein, machen wir später Tante Conny und
ihrem Neffen Platz, die mit Hund Tyson auf dem Weg zu einem
Osterfeuer sind. Am Ausgang des Cottbusser Bahnhofsgebäudes fällt
uns Ines in die Arme, bestens ausgerüstet mit wandertauglicher
Kleidung einer bekannten Outdoor-Marke. Uns bleibt etwa eine Stunde, um in der im Stadtzentrum
gelegenen Jugendherberge einzuchecken. Auf dem Weg dorthin wird erst
einmal der auf der anderen Straßenseite befindliche Bankschalter um
einige Scheine erleichtert, bevor wir einen Passanten bitten, von uns
ein Gruppenfoto zu machen. Im Umgang mit dem Smartphone ungeschickt,
reiche ich seinen zittrigen Händen meine Digitalkamera, doch auch
mit dieser will ihm kein vernünftiges Foto gelingen.
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VeRwaCkeltER StARt iN CoTTBus |
Entlang der
Bahnhofstraße geht es nun in Richtung Norden und pünktlich um 20
Uhr erreichen wir den Klosterplatz und damit unser Ziel. Geschockt
über die geschlossene Tür laufe ich zum ebenfalls zur
Jugendherberge gehörenden Nachbargebäude und bin froh, als mir hier
eine freundliche Frau öffnet. Mit Zimmerschlüssel und Bettzeug in
fünffacher Ausführung bewaffnet, eile ich zu den Anderen. In Zimmer
2 stehen uns ein Einzelbett sowie zwei Etagenbetten zur Verfügung
und schräg gegenüber des Zimmers befindet sich ein
behindertengerechtes Bad. Es dauert eine Weile, bis wir durchschauen,
auf welche Weise man die hiesigen Bettbezüge über Kissen und Decke
stülpt. Nachdem unsere Schlaflager für die Nacht vorbereitet sind,
entdecken alle bis auf Franny einen lila Osterhasen an ihren Betten.
Nun steht es also fest, der Osterhase ist weiblich und kommt aus
Hamburg. Da wir erfahren haben, dass es einen 24h-Supermarkt in der
Nähe gibt, begeben wir uns auf den Weg dorthin. Wir scheinen nicht
die Einzigen zu sein, die wenige Stunden vor den Feiertagen ihre
Vorräte auffüllen wollen und helfen den anderen Einkäufern beim
Leeren der Regale. Interessiert beobachten Ines und ich Marcel und
Franny vor dem Spirituosen-Paradies. Auf dem Rückweg machen wir im
Steakhaus AMEDO Halt. Wie klein Cottbus doch ist, denke ich, als mich
im Restaurant die Emfangsdame von der Jugendherberge grüßt. An
Tisch 8 werden uns Nudeln mit Spinat, Ruccolasalat und andere
Gerichte gereicht, sodass wir uns gegen Mitternacht gut genährt in
die Federn schmeißen können.
Bei
spanischen Klängen beginnt für einige von uns am Karfreitagmorgen
der Tag, während andere bereits wach im Bett liegen. Langschläfer Marcel
stört das morgendliche Gewusel wenig. Es dauert eine Weile, bis auch
er sich aus dem Bett pellt und sich zwei Hände voll Wasser ins
Gesicht wirft. Ordnungsgemäß tragen wir das genutzte Bettzeug zum
Nachbargebäude und widmen unsere Aufmerksamkeit dem
Frühstücksbuffet, das übersichtlich, aber ausreichend ist.
Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen
(Rum-Cola, Süßes) brechen wir gegen 10:15 Uhr auf. 16 km liegen
laut Plan vor uns. Wir verlassen die knapp 100.000 Einwohner zählende
Stadt in Richtung Süden. Kaum
ist die Spree erreicht, bewaffnen sich Ines und Franny sogleich mit
Wanderstöcken. Zwischen
Kleingartenanlage und Spree wandern wir auf einem ausreichend breiten
Weg, auf welchem uns mehrere Läufer und Radfahrer entgegenkommen. Da
der Branitzer Park ziemlich abseits unserer aktuellen Route liegt,
entscheiden wir uns gegen einen Besuch, überqueren das Wehr also
nicht. Am Ufer staunen wir über
die Luftwurzeln einer in Nordamerika heimischen Sumpfzypresse.
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Die ersten Meter |
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Blick auf die Spree |
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Fernwanderweg E 10-Markierung Weiß-Blau-Weiß
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Weiter geht's .. |
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Luftwurzeln |
Wir folgen der Markierung des
Fernwanderweges E 10 und halten uns stets rechts der Spree. Auf der
rechten Seite befinden sich Anlagen für den Pferdesport und eine riesige Sau ist zu
sehen. Im Restaurace Vaclav Kutzeburger Mühle angekommen, bestellen wir uns mit dem Potsdamer ein Mischgetränk aus Bier und Himbeerlimonade und wundern uns über den Preis von 1,81 EUR, für den selbst die Bedienung auf Nachfrage keine Erklärung hat. Auch für die Speisen verlangt das Gasthaus krumme Beträge. Nachdem wir unsere Wanderung Richtung Talsperre Spremberg
fortsetzen und in Gedanken unseren Wanderrucksack mit einem Hund namens Tyson, drei schwarzen
Schlüpfern sowie weiteren kuriosen Gegenständen packen, stellen wir fest, dass wir einen Umweg
gegangen sind. So habe ich nicht bedacht, dass sich die Beschilderung der Talsperre Spremberg auch auf die westlich des Stausees gelegene Route bezieht. Geplant
ist allerdings, östlich des Stausees zu wandern. Nun geht es 4 km die Landstraße entlang. In
Neuhausen/Spree wollen wir die Bahn Richtung Bagenz erreichen. Enttäuscht sehen wir der Kleinbahn zu, wie sie vor unseren Augen abfährt. So bleibt uns nichts anderes übrig, als auf
dem Bahnsteig auf die nächste Bahn zu warten.
Im zur Gemeinde
Neuhausen/Spree gehörenden Ortsteil Bagenz angekommen, orientieren
wir uns zunächst an Frannys Google-Wegweiser. Unsicher darüber,
dass uns die App den richtigen Weg zum Bahnweg 8 weist, fragen wir
einen Anwohner, der uns auf die korrekte Route aufmerksam macht,
sodass wir schließlich dem asphaltierten Weg entlang der Bahngleise
folgen. Lauthals lachen wir, als Franny enttäuscht feststellt, dass
die Siedlung weit und breit nicht in Sicht ist und dennoch fragt, ob
es noch weit sei, worauf Marcel ihr gegenüber entgegnet, dass es
tatsächlich noch weit ist, es sei denn, die Siedlung befindet sich
direkt hinter der kleinen Baumgruppe, die unmittelbar vor uns liegt.
Nachdem wir ein kleines Wäldchen passieren, erreichen wir unser
Nachtquartier Zum Dorfkrug, in welchem gerade Hochbetrieb herrscht.
Freundlich zeigt uns Wirtin Silke die zwei im Nachbargebäude
befindlichen Doppelzimmer sowie die an das eine Doppelzimmer
angrenzende Grünfläche, auf der in den nächsten Minuten das Zelt
aufgebaut wird. Als wir am Restauranttisch nahe der Theke Platz nehmen, werden
wir auch vom jungen Kellner freundlich begrüßt. Sichtbar unangenehm
ist es ihm, als Kai ihn auf die Korkbrösel in seinem Rotweinglas
anspricht, woraufhin er schnellen Schrittes ein neues Glas serviert.
Um ihn nicht noch einmal peinlich berührt zu sehen, behalten wir die
Erkenntnis, dass der Spargel auf unseren Tellern kalt ist, für uns.
Die heutige Wanderung hat ihre Spuren hinterlassen und so fallen wir
gegen 23 Uhr erschöpft ins Bett bzw. auf die Isomatte.
Als
wir am Frühstückstisch nach weiteren Brötchen fragen, erhalten wir
eine enttäuschende Antwort. Mit einem klaren 'Nein' macht Wirtin
Silke deutlich, dass drei Brötchen pro Person ausreichend sind.
Heute zeigt sie sich von einer ganz anderen, unfreundlichen Seite.
Unser Meinung nach sollte es ihr kaum Arbeit bereiten, ein paar
Tiefkühlbrötchen im Ofen aufzubacken. Vermutlich ist sie
schlichtweg schlecht gelaunt, weil wir das Frühstück erst um 9 Uhr
einnehmen – für Wanderer ein ziemlich später Start in den Tag,
was sie uns sinngemäß zu Verstehen gibt. Zwar hat sie damit Recht,
doch wünscht man sich vom Gastgeber einen freundlicheren Umgangston.
Auf das geringe Wechselgeld beharrend, ziehen wir enttäuscht über
diese Begegnung weiter. Der Hauptstraße zunächst folgend, biegen
wir rechts ab und überqueren die Bahngleise. Überzeugt davon, dass
es der richtige Weg ist, halten wir uns nun links und werden
schließlich doch eines Besseren belehrt, als wir plötzlich am Rande
eines Ackers stehen. Eine freundliche Anwohnerin klärt uns auf und
gibt uns zu Verstehen, dass wir nicht die Ersten sind, die sich
hierher verirren. Als wir das am Ostufer des Stausees gelegene Spreecamp erreichen, bläst uns ein starker Wind entgegen.
Unter einer überdachten Sitzgelegenheit legen wir eine kurze Rast
ein. Gestärkt wandern wir auf einem asphaltierten Weg durch den
Kiefernwald. Als es zu regnen beginnt, werfen wir uns die
Regenkleidung über, und hin und wieder genießen wir einen herrlichen
Blick auf den See. Da es in der Ortschaft Sellessen keine
Möglichkeit zur Einkehr gibt, nutzen wir außerhalb des Ortes eine
Bankgruppe für eine Brotzeit.
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Spremberger Stausee |
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Kurze Rast |
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Nächste Rast |
Entlang der Spree wandern wir in
Richtung Spremberg, wo wir die Bahn nach Schleife nehmen wollen. Die
Freude über das Erreichen der etwa 22.000 Einwohner zählenden Stadt
ist allerdings nur von kurzer Dauer, da sich der Bahnhof ziemlich
weit außerhalb des Zentrums befindet. Erschöpft schleppen wir uns
im Regen den Hügel hinauf und verfluchen die Kurve, die kein Ende zu
nehmen scheint. Ziemlich kraftlos erreichen wir schließlich den
Bahnhof. Als wir im wenige Kilometer entfernten Dorf Schleife einige
Rentnerinnen nach dem Weg zum örtlichen Supermarkt fragen, mischt
sich ein Mann in das Gespräch ein und bietet uns spontan eine
Mitfahrgelegenheit in seinem Kleinbus an, welche wir dankend
annehmen. Während im Supermarkt eingekauft wird, erzählt Fred vom
in der Nähe befindlichen Tagebau Nochten sowie der im Kromlauer Park
gelegenen Rakotzbrücke, dir wir nicht zu Gesicht bekämen, wenn wir
– wie ursprünglich geplant – ein Taxi zu unserer nächsten
Unterkunft nehmen würden. Er schlägt uns vor, uns bis zu eben
dieser zu fahren und uns auf dem Weg dorthin den Tagebau sowie die
Brücke zu zeigen - wir sind dabei! Der ortskundige Fred berichtet von den großzügigen
Entschädigungszahlungen seitens des Unternehmens Vattenfall sowie
die in den vergangenen Jahren stattgefundenen Umsiedlungen. Wir
passieren prächtige Wohnanlagen und können uns vorstellen, dass
sich der ein oder andere Bewohner nicht lange bitten lassen musste, seinen
Grund und Boden zu verlassen und anderenorts neu zu bauen. Im Übrigen ist die
lokale Bevölkerung so eng mit dem Braunkohletagebau verbunden, dass
die Notwendigkeit der Umsiedlung nichts Neues ist. Fred erzählt,
dass die Region durch zahlreiche Hohlräume unterhalb der
Erdoberfläche gekennzeichnet ist. Vor Jahren seien Kinder beim Pilze
sammeln verschluckt worden, als der Boden plötzlich nachgab. Nachdem
wir auf einem unbefestigten Weg inmitten des Kiefernforstes Halt
machen, fehlen nur wenige hundert Meter, bis wir vor einer
Tagebaufläche mit gigantischen Dimensionen stehen. Früher hatte
hier einmal Urwald gestanden. Wir überqueren die Gleisen der
Waldeisenbahn und blicken etwa 70 Meter in die Tiefe. Vor uns steht
eine der größten beweglichen Maschinen der Welt inmitten riesiger
Abraumflächen. An der Abbruchkante unter dem Informations-Pavillon
stehend, ist am Horizont der Mondlandschaft das Kohlekraftwerk in
Boxberg zu erkennen.
Unseren von Monotonie ermüdeten Augen wollen
wir nun neue Reize bieten und finden dafür mit dem Kromlauer Park
die ideale Umgebung. Der im 19. Jahrhundert angelegte und etwa 200 ha
große Landschaftspark ist bekannt für seine Azaleen- und
Rhododendren, die uns zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht mit
ihrer Blütenpracht erfreuen. Stattdessen finden wir an der um 1860
aus Basaltsteinen gebauten Rackotzbrücke Gefallen, die sich bei
hellem Licht und Windstille im Wasser spiegelt und deren Bogen im See
einen perfekten Kreis bildet. Zahlreiche Filme wurden in dieser
märchenhaften Kulisse gedreht, verrät uns Fred, der sehr gerne im
Park seine Runden dreht.
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Rackotzbrücke .. |
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.. im Kromlauer Park .. |
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.. mit Spontan-Reiseführer Fred |
Von hier aus fahren wir nach Halbendorf, wo
wir uns von Fred vor Paulo's Pension und Landgasthof absetzen lassen
und uns mit einem schokoladigen 'Merci' für die kleine Tour
bedanken. Während Marcel, Kai, Franny und Ines in der mit einem
orange-roten Anstrich optisch sehr ansprechenden Pension einchecken,
begebe ich mich gegen 20 Uhr auf den Weg zum Campingplatz am
Halbendorfer See. Ich rufe die an der Rezeption vermerkte
Telefonnummer an und erhalte wenige Minuten später einen Schlüssel
für das Sanitärgebäude. Ging es mir doch in erster Linie darum,
eine Erlaubnis für das Aufschlagen meines Zeltes zu erhalten,
verschiebe ich die Suche nach einem geeigneten Zeltplatz auf später,
und kehre stattdessen zur Pension zurück, um mit den Anderen Abend
zu essen. Wir sind begeistert von dem, was uns Wirtin Michaela
auftischt und erstaunt, dass sie alles allein zubereitet. Der Spargel
zeugt von frischer Ernte und schmeckt um Längen besser als jener,
der uns in der Gaststätte des vorherigen Abends serviert wurde. Nach
einem nicht weniger köstlichen Eisbecher schmeißen wir uns in die
Federn oder kriechen in den Schlafsack.
Zwar
sind es zum Ufer nur ein paar Meter, doch der starke Wind und eine
nicht vorhandene Duschmarke sind Grund genug, mich um 7 Uhr in der
Früh nicht in die Fluten des Halbendorfer Sees zu stürzen. Als
einziger Zeltcamper baue ich meine mobile Unterkunft wieder ab und
suche die einige hundert Meter entfernte Pension auf. Meine
Wanderfreunde sitzen bereits am Frühstückstisch und bedienen sich
am reichhaltigen Angebot. Nach einem schmackhaften Frühstück stehen
bis auf eine Ausnahme alle pünktlich an der Straße und warten auf
das bereits am Vorabend bestellte Taxi. Wir hatten uns
gemeinschaftlich entschieden, die heutige Etappe motorisiert
zurückzulegen, da wir im Muskauer Park ohnehin genug Gelegenheit zum
Wandern haben werden. Mit fünfzehnminütiger Verzögerung trifft
schließlich das Großraumtaxi aus Weißwasser ein. Mit dem Namen
unserer nächsten Herberge, dem Glockenhof, kann unsere
schwerhörige Taxifahrerin gar nichts anfangen. Die entsprechende
Adresse, die ich ihr nenne, wird im Rahmen eines Telefongespräches
mit ihrer Tochter von eben dieser bestätigt, sodass wir uns nun
ziemlich sicher sein können, dass uns Frau Kaiser nicht nach
Honolulu fahren wird.
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Nachtlager am Halbendorfer See |
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Paulo's Pension |
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Auf das Taxi wartend |
Tatsächlich erreichen wir gegen 10 Uhr unser
Ziel, welches sich etwa 4 km außerhalb von Bad Muskau befindet.
Sofort springt uns die liebevoll gestaltete Außenanlage des offenen
Vierseitenhofes ins Auge. Eigentlich hatte uns Birgit Jurtz erst am
Abend erwartet, doch unsere verfrühte Ankunft scheint für unsere
Gastgeberin offensichtlich kein Problem zu sein. Freundlich führt
sie uns über den Hof und geleitet uns durch die große Glasfront in das großräumige und sehr
gemütlich eingerichtete Heuhotel. Durch einen Raumteiler getrennt,
befindet sich auf der einen Seite ein ca. 12 m²
großes Heubett,
dessen Unterlage im unteren Bereich aus einer etwa 40 cm starken
Strohschicht und im oberen Bereich aus einem Heu- und Strohgemisch
gebildet wird. Auf der anderen Seite steht eine Tisch- und Bankgruppe
sowie mehrere Vitrinen mit bäuerlichem Inventar. Zahlreiche
Wandbilder und Broschüren informieren über die Sehenswürdigkeiten
sowie die floristischen und geologischen Besonderheiten der Region.
Besondere Aufmerksamkeit zieht ein großer Heuwagen auf sich, der
ebenfalls mit Heu ausgelegt ist und als Schlafplatz dient. Völlig
fasziniert von der Einrichtung des Heuhotels folgen wir Frau Jurtz in
die zu Sanitäranlagen umfunktionierten Schweineställe, die nicht
weniger Anlass zum Staunen bieten. Die Wände lediglich gekalkt,
wirken die Räumlichkeiten durch den - mit Ausnahme der notwendigen
Installationen - weitgehenden Verzicht auf Kunststoff sehr urig.
Überall auf dem Hof stehen oder hängen landwirtschaftliche Geräte
sowie zahlreiche liebevoll bepflanzte Tongefäße. Scherzhaft teilen
wir unser Gastgeberin mit, dass wir den Muskauer Park nicht
besichtigen müssen, denn auch auf dem Glockenhof gibt es soviel zu
entdecken.
Schließlich packen wir doch unseren Tagesrucksack und
begeben uns zur wenige hundert Meter entfernten Neiße, dem
Grenzfluss zu Polen. Auf dem Oder-Neiße-Radweg in Richtung Bad
Muskau wandernd, werden wir von einem Hagelschauer überrascht.
Eingehüllt in unsere Regenponchos erreichen wir nach etwa einer
Stunde den Muskauer Park und suchen zunächst die im Alten Schloss
untergebrachte Touristeninformation auf, um uns im Anfang des 19. Jahrhunderts von Fürst Pückler angelegten Park zu
orientieren und uns über mögliche Unternehmungen zu informieren.
Wir würden gerne eine Kutschfahrt im Landschaftspark unternehmen, doch aufgrund
des Regens soll uns dieses Vergnügen nicht vergönnt sein.
Stattdessen suchen wir eine am Marktplatz gelegene Bäckerei auf, in
der wir uns mit Soljanka, Bratkartoffen und Rüblikuchen stärken.
Von hier aus zunächst der Hauptstraße folgend, befinden wir uns
schließlich am Grenzübergang. Auf der anderen Flussseite sehen wir
Stände des Polenmarktes, von welchem wir schon viel gehört haben
und den wir nun besuchen wollen. Nachdem wir die Postbrücke
überquert haben und die ersten Stände passieren, stellen wir fest,
dass viele von ihnen geschlossen sind. Mit dem Kauf einer Tüte
Lollis kurbeln wir die polnische Wirtschaft an und kehren
dem polnischen Grenzort Łęknica
wieder den Rücken.
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Ankunft im Muskauer Park |
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Postbrücke |
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Grenzfluss Neiße |
Da es momentan nicht regnet, schlendern wir durch
die Parkanlage und gönnen uns im Café des Neuen Schlosses eine
Heiße Schokolade und ein leckeres Stück Fürst-Pückler-Torte. Auf
einen Restaurantbesuch wollen wir auch an diesem Tage nicht
verzichten und so betreten wir erwartungsvoll die Schloßschänke.
Während das Lesen von lustigen Sprüchen in der Speisekarte für
Heiterkeit sorgt, ist der Service eher ernüchternd. Die Kellner
scheinen nämlich nicht zu wissen, welche Suppen noch vorrätig sind.
Über einen derart großen Mangel an restaurantinterner Kommunikation
staunend, steigen wir ins Taxi, welches uns zum Glockenhof fährt, wo
die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Ein wenig Unordnung gibt es
jedoch auch hier, denn nicht alle von uns dürfen sich aufgrund
offensichtlich kleiner Warmwasser-Boiler an einer ausgiebigen heißen
Dusche erfreuen. Empört reisst die fröstelnde Ines gemeinsam mit
Warmduscherin Franny die Tür des Heuzimmers auf, berichtet von ihrem
unfreiwilligen Abenteuer und erfährt, dass auch Kai vorwiegend mit
kaltem Wasser Vorlieb nehmen musste. Zügig kriechen wir in unsere
Schlafsäcke und tauschen uns über den Tag aus. Zu einem Wrestling
im Heu im Schlafsack-Kostüm sind unsere Knochen zu müde, und so
ziehen sich Franny und Ines ins vermutlich wohl temperierte Wohnhaus
der Familie Jurtz zurück, während Marcel, Kai und ich im Heu liegen
bleiben.
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Blick in den Park |
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Neues Schloss (erbaut 1646-1653) |
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Heulager |
So
angenehm warm, wie erhofft, war die Nacht im Wohnhaus gar nicht. Auch
die Tatsache, dass ein achtbeiniger Gliederfüßer den beiden Mädels
Gesellschaft leistete, machte die Situation nicht unbedingt
erträglicher. Detailliert schildern sie ihre Erlebnisse am mit
Brötchen, Aufschnitt, aufgeschnitteten Eiern, Kaffee, Tee und Obst
gedeckten Frühstückstisch. Marcel hingegen hat im Heu eher
geschwitzt, was sicher an den mehreren Lagen Schlafsäcken lag.
Unsere Gastgeber hatten die lautstarken Gespräche über die
Missstände im Erdgeschoss registriert, lässt uns Birgit wissen, als
sie plötzlich in den Frühstücksraum tritt. In der Tat sei es
vergangene Nacht ziemlich kalt gewesen im Wohnhaus, meint sie. Der
30-Liter-Boiler hätte allerdings für zwei Personen bisher immer
gereicht. Schnell vergessen sind die erlebten Mängel, als wir nach
dem Begleichen unserer Rechnung von Birgit gebeten werden, ihr zu
einer kleinen Galerie mit bäuerlichen Geräten zu folgen. Hier
erfahren wir von unserer wortgewandten Gastgeberin, die als
Geoparkführerin Wanderungen durch den Muskauer Faltenbogen anbietet,
viel Interessantes über die Geschichte des Hofes. Ihren Monolog
beendet sie zu unserer Überraschung mit einem Quiz, indem sie fragt,
wer der Begründer der modernen Landwirtschaftslehre sei. Clever, wie
wir sind, können wir einige der vier Antwortmöglichkeiten
ausschließen, sodass wir ihr mit Albrecht Daniel Thaer die korrekte
Antwort geben. Es ist ein sehr schönes Ende eines überwiegend sehr
schönen Aufenthaltes und so verabschieden wir uns gegen 10 Uhr von
der Glöcknerin und ihrem Glockenhof. Zu Fuß legen wir die etwa 4 km
bis ins Zentrum Bad Muskaus zurück, stärken uns erneut in der am
Markt befindlichen Bäckerei und nehmen um 13 Uhr den ins nahe
gelegene Weißwasser fahrenden Bus. Von hier aus geht es über
Cottbus wieder in die Heimat. Viele interessante Eindrücke nehmen
wir mit, vor allem aber die Erkenntnis, dass ein Kilometer doch
wesentlich länger ist, als gedacht.
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Frisch ist nicht nur das Frühstück |
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Gemütliches Ambiente |
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Heuwagen blieb unbelegt |
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Blick auf den Hof |
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Denkmal der Glöcknerin Birgit Jurtz |
> 13./17. April <
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