14.-16.4.
Seehausen → Hendaye/Irún
Um
19:21 Uhr wird der Zug abfahren. Wo bleibt die Zeit, frage ich mich,
während ich – wie immer – zum Bahnhof eile. Auf die Teilnahme am
10-Kilometer-Lauf in Tangermünde am heutigen Sonntagvormittag oder
den Chor-Auftritt am Nachmittag, wahrscheinlich eher beides, hätte
ich doch wohl besser verzichten sollen. Dass das Ausräumen, der
Transport sowie das vorübergehende Unterstellen meines bisher noch
in der Wohnung verbliebenen Hab und Gutes im elterlichen Keller doch
soviel Zeit frisst, hatte ich auch unterschätzt. Missplanung rächt
sich, und so darf ich mich nun von meinem stets die Uhrzeit im Auge
behaltenden und damit sehr gut organisierten Vater zum Seehäuser
Bahnhof fahren lassen, ein Umstand, der mir zwar nicht gefällt,
andererseits lässt er mich rechtzeitig die Bahn erreichen. In der
Hoffnung, alles einigermaßen vernünftig hinterlassen und nichts
Wichtiges für meinen bevorstehenden Camino vergessen zu haben, nehme
ich in der S1 Richtung Stendal Platz. Der mir fremden Schaffnerin
komme mein Gesicht bekannt vor, verrät mir die freundliche Dame in
Uniform, und meint, es in Arendsee schon einmal gesehen zu haben, was
angesichts meines dort lebenden Zwillingsbruders durchaus im Bereich
des Möglichen liegt. Nach den zwei Zwangspausen in Stendal und
Wolfsburg schreite ich gegen 22:15 Uhr großen Schrittes vom
Hannoveraner Hauptbahnhof zum benachbarten ZOB, um den Eurolines-Bus
Richtung Paris zu erwischen. Zunächst orientierungslos suche ich den
entsprechenden Abfahrtsbereich und wandere mit meinen Augen über die
Anzeigetafel. Obwohl ich mich offensichtlich am richtigen Terminal
befinde, spüre ich Unsicherheit, denn der Bus ist trotz sehr
baldiger Abfahrtszeit nicht da und die Zahl der wartenden Fahrgäste
ist sehr übersichtlich. Die Wartezeit vertreibe ich mir, indem ich
die um mich herum stehenden Personen, nach meiner Einschätzung
zumeist Osteuropäer und Franzosen mit afrikanischen Wurzeln,
beobachte. Nach Ankunft des Busses und einem prüfenden Blick des
Busfahrers auf die Fahrgastliste, woraufhin mich dieser mit 'Marco
Polo' anspricht, trete ich lächelnd durch die hintere Bustür. Mist,
denke ich mir, als ich keinen freien Platz sichten kann. Da ruft es
von vorn, dass ich bitte nach vorn kommen möchte, wo mir der
Busfahrer einen Platz in der ersten Reihe anbietet. Was für ein
Glück ich doch habe, denke ich mir, als ich meinen Beutel auf dem
freien Platz neben mir ablege und freie Sicht nach vorn genieße. Auf
dem Doppelplatz links des Ganges liegen Taschen, die vermutlich dem
zweiten Busfahrer gehören. Ich vermute, dass sich dieser bei Abfahrt
des Busses neben mich setzen wird, doch nimmt er schließlich hinter
dem Fahrersitz Platz. Da es sich bei beiden Busfahrern offensichtlich
um Polen oder Tschechen handelt, verstehe ich nichts von dem, worüber
sie sich während der Fahrt unterhalten. Das finde ich insofern
positiv, als dass ich dadurch besser einschlafen kann. Nahezu
pünktlich trifft der Bus um 10 Uhr in Paris Gallieni-gare
routiere internationale
ein. Da mir bis zur Abfahrt des nächsten Busses um 21 Uhr viel Zeit
bleibt, suche ich zunächst eine Decathlon-Filiale auf. An den
Straßenrändern liegt viel Müll. Die umzäunten Wohnanlagen
erinnern mich an Kolumbien. Ohne ein Zelt für den Camino gekauft zu
haben, verlasse ich den Decathlon-Store und gehe in den Park
Vincennes, wo ich bei strahlendem Sonnenschein und umgeben von
lautstarkem Wasservögel-Geschnatter eine Brotzeit einlege.
Unweit
des Bahnhofs Bercy-Seine setze ich mich auf eine Bank und werde kurz
darauf von einem Passanten gefragt, ob ich schon wüsste, dass Notre
Dame in Flammen steht. Auf Englisch antworte ich ihm, dass er wohl einen Scherz
macht, was er verneint. Um die Rauchschwaden zu sehen, müsste ich
nur einige Meter weiter auf die nächste Brücke gehen. Nun bin ich
doch neugierig geworden und nähere mich Stufe für Stufe der Brücke,
auf welcher sich bereits mehrere Menschen versammelten und Richtung
Norden schauen. Tatsächlich füllt sich der Himmel mit Rauch, der
aus dem Dach der Kathedrale emporsteigt. Der Schock bei den um mich
herum stehenden Franzosen ist spürbar, nicht wenige scheinen den
Tränen nahe. Mit der Frage, ob die Mitreisenden von dieser
Katastrophe bereits wissen, steige ich in den Ouibus-Bus und nehme
auf dem mir vom Busfahrer zugewiesenen Platz 7D Platz. Nach etwa
13-stündiger Fahrt und mehreren Zwischenstopps bin ich einer der
letzten Fahrgäste, die den Bus verlassen. Bis Spanien sind es nur
wenige hundert Meter, und so lasse ich nach wenigen Gehminuten den
Grenzort Hendaye und somit das französische Baskenland hinter mir und erreiche nach dem Überqueren des Flusses Bidasoa Irún.
Weil die Informationstafel im Zentrum schlecht lesbar ist, frage ich einen Passanten nach dem Weg zur Albergue, woraufhin mich der Mann in Richtung Hügel schickt. Etwas irritiert bin ich, da ich die Albergue dort nicht vermutet habe, setze mich trotzdem in Richtung Hügel in Bewegung, als ich von einem anderen Passanten eingeholt werde. Dieser erzählt mir, dass ich falsch informiert wurde und begleitet mich schließlich zur Albergue. Ich habe Glück, denn der Herbergs-Vater ist gerade vor Ort. Er meint, dass ich mein Gepäck bis zur Öffnung am Nachmittag in der Albergue lassen könnte, doch ich bin mir noch nicht sicher, ob ich in Irún bleibe oder heute noch mit dem Camino starte. Die Entscheidung soll spätestens beim Mittagessen fallen. Zuvor suche ich ein Internet-Café auf und informiere meine Familie über meine Ankunft in Spanien. Im Keller eines Gasthauses wird mir ein menú del peregrino (Pilgermenü) für 9 Euro serviert. Nach dem Verzehr einer einfachen Nudelsuppe, Lomo (Schweinelende) mit Pommes, Pudding und einer Kanne Wasser entscheide ich mich für eine Übernachtung in Irún, kann meinen Rucksack aber nicht in der Albergue unterstellen, da mir niemand öffnet. Samt Rucksack begebe ich mich auf den Weg zur Hafenstadt Hondarribia, deren Stadtstrand toll sein soll - und auch ist. Für ein Bad im Meer ist es mir allerdings viel zu windig. Zurück in der Herberge reihe ich mich in eine Schlange wartender Pilger ein. Oh nein!, denke ich mir, denn ich sehe nur jugendliche Gesichter vor mir. Als ich an der Reihe bin, werde ich freundlich vom Voluntario José Luis begrüßt, der mir eines der insgesamt 60 Betten in einem der drei Schlafsäle zuteilt. Die anfängliche Befürchtung, nur von Jugendlichen umgeben zu sein, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Geduscht kaufe ich für das Abendessen ein und komme im Speisesaal mit Santiago aus Argentinien ins Gespräch. Später gesellt sich Sandra aus Deutschland dazu, doch viel Zeit zum Erzählen bleibt nicht, denn um 22 Uhr beginnt die Nachtruhe.
Weil die Informationstafel im Zentrum schlecht lesbar ist, frage ich einen Passanten nach dem Weg zur Albergue, woraufhin mich der Mann in Richtung Hügel schickt. Etwas irritiert bin ich, da ich die Albergue dort nicht vermutet habe, setze mich trotzdem in Richtung Hügel in Bewegung, als ich von einem anderen Passanten eingeholt werde. Dieser erzählt mir, dass ich falsch informiert wurde und begleitet mich schließlich zur Albergue. Ich habe Glück, denn der Herbergs-Vater ist gerade vor Ort. Er meint, dass ich mein Gepäck bis zur Öffnung am Nachmittag in der Albergue lassen könnte, doch ich bin mir noch nicht sicher, ob ich in Irún bleibe oder heute noch mit dem Camino starte. Die Entscheidung soll spätestens beim Mittagessen fallen. Zuvor suche ich ein Internet-Café auf und informiere meine Familie über meine Ankunft in Spanien. Im Keller eines Gasthauses wird mir ein menú del peregrino (Pilgermenü) für 9 Euro serviert. Nach dem Verzehr einer einfachen Nudelsuppe, Lomo (Schweinelende) mit Pommes, Pudding und einer Kanne Wasser entscheide ich mich für eine Übernachtung in Irún, kann meinen Rucksack aber nicht in der Albergue unterstellen, da mir niemand öffnet. Samt Rucksack begebe ich mich auf den Weg zur Hafenstadt Hondarribia, deren Stadtstrand toll sein soll - und auch ist. Für ein Bad im Meer ist es mir allerdings viel zu windig. Zurück in der Herberge reihe ich mich in eine Schlange wartender Pilger ein. Oh nein!, denke ich mir, denn ich sehe nur jugendliche Gesichter vor mir. Als ich an der Reihe bin, werde ich freundlich vom Voluntario José Luis begrüßt, der mir eines der insgesamt 60 Betten in einem der drei Schlafsäle zuteilt. Die anfängliche Befürchtung, nur von Jugendlichen umgeben zu sein, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Geduscht kaufe ich für das Abendessen ein und komme im Speisesaal mit Santiago aus Argentinien ins Gespräch. Später gesellt sich Sandra aus Deutschland dazu, doch viel Zeit zum Erzählen bleibt nicht, denn um 22 Uhr beginnt die Nachtruhe.
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